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Walter Zimmermann: ZPO-Fallrepetitorium, 11. Auflage 2018, 469 Seiten, 33 € (C.F. Müller)

Die Zivilprozessordnung ist auf die Bearbeitung praktischer Fälle angelegt und kann daher letztlich nur durch Fälle erklärt und verstanden werden. Das nun in elfter Auflage vorgelegte Repetitorium greift diese Überlegung auf und will das Verständnis seines Lesers über Zivilprozessordnung in knapp 600 kurzen Fällen erweitern und vertiefen. 

Der Autor Walter Zimmermann ist pensionierter Richter und Honorarprofessor für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht an der Universität Regensburg. Als Richter war unter anderem am Landgericht Passau und am Oberlandesgericht München tätig. Er war jahrelang Leiter von Referendar-Arbeitsgemeinschaften.  

Kritik

Die vorliegende Fallsammlung wendet sich vorwiegend an Studenten und Referendare sowie junge Rechtsanwälte. Die Fälle, Fragen und Probleme sind in vier Schwierigkeitsstufen eingeteilt. Sie reichen von Grundlagenwissen bis hin zu komplizierteren und entlegeneren Problemen aus der Prozesspraxis. Der Anfänger sollte dieses Werk meiden. Die Fallsammlung setzt reichlich Grundlagenwissen voraus (es ist schließlich ein Repetitorium), sodass es erst nach Durcharbeit eines entsprechenden Lehrbuchs oder Skripts Sinn ergibt, mit der Fallbearbeitung zu starten.

Das Werk ist chronologisch nach dem Aufbau der Zivilprozessordnung gegliedert. Es startet mit Fällen zum Rechtsweg, zur Zuständigkeit und Partei- und Prozessfähigkeit und endet mit einen kurzen Kapitel zum Schiedsgerichtsverfahren. Behandelt werden sämtlichen Themen der Zivilprozessordnung.

Die Fallsammlung überzeugt überwiegend. Die Fälle samt Lösungen sind in der Regel lehrreich und verständlich, ihre Auswahl eigentlich nicht zu beanstanden. Dennoch sind Schwächen vorhanden:

Am meisten fällt auf, dass die verwendeten Rechtsbegriffe teilweise eingestaubt und veraltet sind. Das betrifft beispielsweise die Rechtsbegriffe "PVV" (z.B. Fälle 27, 28, 63, 180, 188, 225, 270), "Wandlung" (Fall 28) und das Pflichtversicherungsgesetz "PflVersG" (Fall 58). Letzteres wird übrigens in Fall 99 nunmehr richtig mit "VVG" bezeichnet. Auch sind manche Nachweise zu Fundstellen veraltet. Hier wäre eine Aktualisierung wünschenswert.

Im Themenkreis "Beweisverfahren, Beweissicherung" hätte ich mir mehr Fälle zur Beweiswürdigung gewünscht, insbesondere zur Würdigung des Zeugenbeweises. Diese Problematik ist von hoher Relevanz für Klausuren und wird eigentlich gar nicht vom Autor behandelt. Selbiges gilt für die Verwertung von unzulässig erlangten Beweismitteln. Diese Frage wird in Fall 175 unter d) eher stiefmütterlich abgefrühstückt.

Zumindest verwirrend und irreführend ist der Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof in Fall 17 unter d) (dort als "BGH NJW 2014, 2864" bezeichnet). Im Fall 17 geht es unter anderem um die Frage, wann die Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 23 Nr. 2a GVG bei sog. "Mischmietverhältnissen" einschlägig ist. Die Lösung erweckt den Eindruck, dass der Bundesgerichtshof in dem zitierten Urteil entschieden habe, es sei in "Mischmietverhältnissen" grundsätzlich immer das Amtsgericht zuständig. Das hat der Bundesgerichtshof aber gerade nicht entschieden. Auch der Bundesgerichtshof vertritt die Ansicht, dass darauf abgestellt werden muss, welcher Teil des Mietverhältnisses im konkreten Einzelfall überwiegt (Wohnraum oder andere Räume?). Nur wenn sich bei der gebotenen Einzelfallprüfung ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen lasse, sei im Hinblick auf das Schutzbedürfnis des Mieters von Wohnraum auszugehen.

Falsch ist die Subsumtion in Fall 82, dass es sich bei dem anwaltlich unterschriebenen Empfangsbekenntnis um eine öffentliche Urkunde nach §§ 415, 418 Abs. 1 ZPO handele. Das Empfangsbekenntnis ist in diesem Fall keine öffentliche Urkunde, denn ihr Aussteller ist ein Rechtsanwalt (BGH NJW 2012, 2117; 1990, 2125). Es handelt sich vielmehr um eine Privaturkunde.

Abschließendes Urteil

Trotz vorhandener Schwächen fällt das abschließende Urteil positiv aus. Die Fallsammlung erfüllt ihren Zweck, seinem Leser die Zivilprozessordnung näher zu bringen, seine Blick für prozessuale Probleme zu schärfen und ihm auf vorhandene persönliche Schwachstellen aufmerksam zu machen. Mir gefällt insbesondere die Einteilung in Schwierigkeitsgrade. Denn diese Einteilung hilft, nachzuvollziehen, welche Probleme auf jeden Fall beherrscht werden sollten und welche Probleme nur zum Erreichen der höheren Punkteränge gelöst werden müssen.

Gut ist auch die klare thematische Gliederung der Fallsammlung. Wer zum Beispiel Probleme mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit hat, findet die nötigen Übungsfälle schnell und arbeitet diese dann durch. Zur alleinigen Examensvorbereitung taugt das Werk natürlich nicht, ist aber eine sinnvolle Ergänzung zur Arbeitsgemeinschaft, praktischer Ausbildung und Übungsklausuren.

David van Koppen



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