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Markus Kenntner: Öffentliches Recht Baden-Württemberg, 2. Auflage 2017, 360 Seiten, 32 € (Nomos)

In der zweiten juristischen Staatsprüfung im Land Baden-Württemberg zählen das Polizeirecht, Kommunalrecht, Bau- und Straßenrecht zu den Kernbereichen des öffentlichen Rechts, in denen das Landesjustizprüfungsamt sichere Rechtskenntnisse erwartet. Zugleich bildet das Verwaltungsprozessrecht den formalen Rahmen, innerhalb dessen Fragen zum materiellen Recht zu beantworten sind. Um diesen Anforderungen Rechnung zu tragen, hat Markus Kenntner ein Werk geschaffen, das die erforderlichen Kenntnisse in gedrängter Form aufbereitet.

Der Autor wurde im August 2006 zum Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ernannt. Seit 2012 ist Markus Kenntner Richter am Bundesverwaltungsgericht.

Kritik

Das Lehrbuch richtet sich an Referendare, die sich auf das zweite Staatsexamen vorbereiten. Es konzentriert sich in materieller Hinsicht auf das Polizeirecht, Kommunalrecht, Bau- und Straßenrecht in Baden-Württemberg.

Einleitend finden sich einige Hinweise zur Klausurtechnik im zweiten Staatsexamen. Diese enthalten inhaltlich nichts Neues. Da der Autor jedoch auch selbst Erfahrung als Prüfer hat, sollte man ihn beim Wort nehmen. Sodann erfolgt überblicksartig eine Wiederholung der wichtigsten Fragestellungen zum jeweiligen Rechtsgebiet. Anschließend werden die theoretischen Kenntnisse in konkreten Fallbeispielen angewandt. Dabei orientiert sich das Fallmaterial zum einen an (älteren) Gerichtsentscheidungen, zum anderen wurden auch Originalexamensklausuren des Landesjustizprüfungsamts zur Inspiration herangezogen. Die jeweilige Quelle ist aus einer Fußnote ersichtlich.

Die Darstellung der einzelnen Rechtsgebiete erfolgt sehr übersichtlich und leicht verständlich. Auf Meinungsstreitigkeiten wird nur dort (kurz) eingegangen, wo diese auch für das zweite Staatsexamen relevant sind. Belege in Fußnoten greifen im Wesentlichen die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg und des Bundesverwaltungsgerichts auf. Dies leuchtet ein, da das zweite Staatsexamen ein „Praktikerexamen“ ist und daher der Rechtsprechung entscheidendes Gewicht zukommt.

Aufgrund der gerafften Darstellungsweise finden sich wichtige Informationen auch in Fußnoten, die man daher ebenso aufmerksam lesen sollte. Wichtige Begrifflichkeiten sind durch Fettdruck hervorgehoben. Dies ermöglicht ein gezieltes Wiederholen zu bestimmten Kernfragen, ohne erneut den gesamten Text des jeweiligen Abschnitts lesen zu müssen. In sprachlicher Hinsicht ist lobenswert, dass der Autor verständlich und nachvollziehbar formuliert und argumentiert. Ein roter Faden ist stets erkennbar. „Hää?“-Momente bleiben aus.

Die Ausführungen zum materiellen Baurecht wirken im Vergleich zur im Examen vorzuhaltenden Stofffülle etwas kurz. Allerdings verweist der Autor fairerweise gleich in der ersten Fußnote auf die „Pflichtlektüre“ zum Baurecht Baden-Württemberg – Dürr/Leven/Speckmaier, aktuell in 16. Auflage 2018.

Die Ausführungen zum Straßenrecht decken alle wesentlichen Fragestellungen ab, mit denen man voraussichtlich im Examen zu rechnen hat. Dies ist besonders nützlich, da eine auf das erforderliche Examenswissen fokussierte Darstellung des Straßenrechts Baden-Württemberg sonst kaum zu finden ist. Wer sein Wissen im Straßenrecht weiter vertiefen möchte, der möge zum Werk von Schnebelt/Kromer, Straßenrecht Baden-Württemberg, greifen. Dies halte ich allerdings für entbehrlich. Diese Zeit ist im Baurecht sicher besser investiert. Wer Zeit hat, der möge freilich lesen.

Das Polizei- und Kommunalrecht wird ebenfalls hinreichend ausführlich dargestellt. Die Ausführungen zum Polizeirecht sind mit zahlreichen Nachweisen unterfüttert, so dass eine vertiefende Lektüre in Rechtsprechung und Literatur erfolgen kann.

Neben dem materiellen Recht liegt der Schwerpunkt des Werkes auf dem Verwaltungsprozessrecht, dem etwa 1/3 des Gesamtumfanges gewidmet ist. Hier hat das Werk ganz klar seine Stärke. Man spürt, dass ein erfahrener Praktiker die Schreibfeder in der Hand hatte. Besonders sind die zahlreichen Tenorierungsbeispiele hervorzuheben. Diese sind nach den Verfahrens- bzw. Klagearten gegliedert und sehr übersichtlich dargestellt. Praktisch alle für das zweite Examen wichtigen Konstellationen werden abgedeckt. Will man in kurzer Zeit das Verwaltungsprozessrecht wiederholen, so ist man mit dem Kenntner in jedem Falle sehr gut beraten.

Im Praktischen Teil konzentrieren sich die Fallbearbeitungen auf Kernprobleme, die einem im Examen begegnen können. Sie dienen damit als guter Einstieg und der schnellen Wiederholung kurz vor dem Examen. Die Sachverhalte sind im Vergleich zu Originalklausuren kurz, so dass man sich sofort auf das Wesentliche konzentrieren kann. Die Lösungen sind sprachlich präzise und sauber formuliert. Sicher ist man gut beraten, wenn man sich die ein oder andere Formulierung unmittelbar für zukünftige, eigene Klausurbearbeitungen einprägt.

Abschließendes Urteil

Die überblicksartige Darstellung der einzelnen Teilgebiete des öffentlichen Rechts setzt häufig einschlägige Vorkenntnisse voraus. Dadurch eignet sich das Werk besonders gut, um kurz vor dem Examen die wichtigsten Fragestellungen noch einmal zu wiederholen. Als Einstieg in die Examensvorbereitung ist es insofern geeignet, als dass man ein Gespür für die im Examen zu erwartende Stoffbreite erhält. Gleichwohl ersetzt das Werk nicht die Lektüre eines Lehrbuchs zum jeweiligen Rechtsgebiet. Die Konzentration auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg und des Bundesverwaltungsgerichts entspricht den praktischen Anforderungen, die an Referendare gestellt werden. Da Markus Kenntner seine Inspiration zu diesem Werk auch aus der Durchsicht zahlreicher Originalklausuren aus dem zweiten Staatsexamen Baden-Württemberg gewonnen hat, wäre es fahrlässig, das Buch nicht zu lesen. Es ist zur Wiederholung unmittelbar vor dem Examen uneingeschränkt zu empfehlen.

Sebastian Seidel

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